Ihr Lieben, ich möchte heute ein Thema mit euch teilen, das mich seit vielen Jahren beschäftigt – und ehrlich gesagt, bis heute tief bewegt. Es geht um eine Stoffwechselstörung namens Pyrrolurie (HPU/KPU) und vor allem um den oft schwierigen Weg bis zur Diagnose. Ich erzähle euch hier nicht nur von der Erkrankung selbst, sondern auch davon, was es all die Jahre davor für meine Familie – und ganz besonders für meinen Sohn – bedeutet hat.

Alles begann, als mein heute erwachsener Sohn in die Schule kam. Schon nach kurzer Zeit wurde ich von seiner Klassenlehrerin zu einem Gespräch gebeten. Sie sagte mir, dass mein Sohn im Unterricht ständig sehr müde, unkonzentriert und erschöpft wirke. Dann stellte sie mir eine Frage, die mich bis ins Mark traf: Ob es bei uns zuhause Probleme gäbe. Ich war schockiert – was dachte sie, was bei uns los sei? Verwirrt und verletzt ging ich nach Hause. Ich konnte ihre Einschätzung nicht nachvollziehen. Mein Sohn war zuhause ein meist aufgeweckter kleiner Junge. Er hatte zwar manchmal einen unruhigen Schlaf und war hin und wieder etwas infektanfälliger als seine Altersgenossen. Doch die Vorwürfe aus der Schule wiederholten sich einige Male. Bei einem weiteren Gespräch fiel ein Satz, den ich nie vergessen werde: „Ihr Sohn wird es wohl nie über die Förderschule hinaus schaffen.“

Ich wusste: Irgendetwas stimmte nicht. Also ging ich mit ihm zum Kinderarzt – zu dem Arzt, der schon mein eigener Kinderarzt war und dem ich eigentlich vertraute. Doch was dann kam, ließ mich sprachlos zurück: „Mit etwas Ritalin bekommen wir das in den Griff“, sagte er. Die Diagnose: ADS. Schnell gestellt, ohne umfassende Untersuchungen. Ich fühlte mich überrumpelt – und vor allem: unverstanden. Ich war überzeugt, dass es für all die Symptome meines Sohnes eine Ursache geben musste. Ich nahm das Rezept mit – und löste es bis heute nicht ein.

Es folgten Jahre, in denen wir versuchten, irgendwie schulisch über Wasser zu bleiben. Mein Sohn wirkte zunehmend erschöpfter und eine Zeit voller Sorgen, Kämpfe und Zweifel stellte sich ein. Wir suchten Hilfe in allen Richtungen, und zeitweise besserten sich die Symptome. Doch der große Durchbruch blieb aus. Immer wieder wurde ich in die Schule gebeten, mein Sohn durchlief verschiedenste Tests – vieles initiiert vom Schulamt. Irgendwann hieß es, er sei ein „Inklusionskind“. Selbst seine Lehrerin, die ihn gut kannte, war schockiert über diese Einstufung. Sie konnte nicht glauben, was da entschieden wurde. Und bis heute bin ich unendlich dankbar für einige Lehrer aus dieser Zeit, die uns zur Seite standen. Einer von ihnen brachte es damals mit einem Satz auf den Punkt, der mir bis heute im Gedächtnis geblieben ist:
„Ich kann einfach nicht verstehen, was mit Florian los ist. An manchen Tagen ist er hellwach, voller Energie und arbeitet konzentriert – und am nächsten wirkt er wie ausgewechselt, abwesend, ja fast verloren. Selbst einfache Zusammenhänge scheinen ihm dann schwerzufallen.“ Dieser Satz spiegelte genau das, was wir tagtäglich erlebten – und machte die Verzweiflung noch greifbarer. Ich war am Boden zerstört. Immer wieder fragte ich mich: Was hat mein Kind? Warum erkennt niemand, was wirklich mit ihm los ist?

Und dann kam dieser eine Tag, der alles veränderte. Ich arbeitete damals bereits in meinem kleinen glutenfreien Ladengeschäft in Herrieden, als eine Kundin hereinkam, die ich bis dahin nicht kannte. Wir kamen ins Gespräch, und sie erzählte mir, dass sie für ihre Tochter einkaufe, die an KPU leide. Ich fragte neugierig nach – der Begriff sagte mir nichts. Doch je mehr sie erzählte, desto stiller wurde ich. Ich stand wie versteinert da, denn alles, was sie beschrieb, passte exakt auf meinen Sohn. War das der Schlüssel? War das der Grund für all die Jahre voller Unsicherheit, Verzweiflung und Fehldiagnosen?

Noch am selben Tag besorgte ich ein Test-Kit. Wenige Tage später hatten wir die Gewissheit: Mein Sohn hat eine Pyrrolurie. Endlich hatte das Kind einen Namen. Doch gleichzeitig fühlte ich mich völlig überfordert – wie sollte es nun weitergehen? Ich tauchte tief in die Recherche ein, las alles, was ich über Pyrrolurie finden konnte: Stichworte wie Stoffwechselstörung, Entgiftungsprobleme, Mikronährstoffmangel prägten fortan meine Gedanken.

In Österreich stieß ich damals auf ein spezielles Präparat mit Mikronährstoffen für KPU-Betroffene – und bestellte es sofort. Was dann geschah, war wie ein kleines Wunder: Mein Sohn, der durch die lange unentdeckte Pyrrolurie zunehmend erschöpft war und schließlich nicht einmal mehr die Ausdauer hatte, ein Puzzle zusammenzusetzen, sah mich nach drei Tagen der Einnahme plötzlich mit wachem, klarem Blick an und fragte: „Mama, warum haben wir eigentlich kein Puzzle mehr?“ Ich war sprachlos. Tränen schossen mir in die Augen. Es war, als hätte sich ein Vorhang gelüftet. Plötzlich war da so viel Präsenz, so viel Energie, so viel echtes Leben.

Es war nicht sofort alles gut – nach der ersten Besserung kam nochmal ein kleiner Rückschritt. Doch ich war inzwischen vorbereitet: Ich wusste nun, dass Pyrrolurie oft mit Allergien und Unverträglichkeiten einhergeht. Weitere Untersuchungen zeigten, dass mein Sohn eine Fruktose- und Sorbitunverträglichkeit sowie eine Milcheiweißallergie hatte. Mit gezielter Nahrungsergänzung und einer konsequenten Ernährungsumstellung ging es ihm von Tag zu Tag besser – und das hat bis heute angehalten.

Mit all diesen Befunden ging ich zurück in die Schule und ich musste mich fortan nicht mehr erklären. Der Termin beim Schulamt jedoch war ernüchternd. Ich erzählte den beiden Damen über die Stoffwechselstörung meines Sohnes, verbunden mit den Unverträglichkeiten und der Allergie und hoffte auf Verständnis. Leider erwiderte die Dame dort wortwörtlich: „Frau Gruber, wir wissen, dass unser System Lücken hat. Aber wir können leider nichts machen.“ Ein Satz, den ich wohl nie vergessen werde. Final gesprochen wurde mir somit mitgeteilt, auch wenn das nächste Kind mit den gleichen Symptomen kommt, wird nicht individuell darauf eingegangen oder nachgeforscht, dass eine mögliche Pyrrolurie der Auslöser sein könnte.

Heute, viele Jahre später, studiert mein Sohn im Bereich Ernährung. Die gesundheitlichen Einschränkungen, die ihn so lange begleitet haben, gehören der Vergangenheit an. Ich möchte an dieser Stelle ganz klar sagen: Ich bin keine Gegnerin der Schulmedizin. Im Gegenteil – ich bin dankbar für alles, was sie leisten kann. Aber ich wünsche mir ein Miteinander. Einen Blick über den Tellerrand. Und vor allem: mehr Verständnis für die individuellen Geschichten, die hinter unseren Kindern stehen.

Pyrrolurie (HPU/KPU) – zwischen Wissenschaft und persönlicher Erfahrung

Pyrrolurie, auch bekannt als Hämopyrrollaktamurie (HPU) oder Kryptopyrrolurie (KPU), ist eine Stoffwechselstörung, bei der es zu einem fehlerhaften Auf- oder Abbau von Häm kommt. In der Folge werden vermehrt Pyrrole über den Urin ausgeschieden. Kurz ausgedrückt, diese Pyrrole binden wichtige Mikronährstoffe wie Vitamin B6, Zink und Mangan, sodass es im Körper zu entsprechenden Mangelerscheinungen kommen kann.

Erstmals beschrieben wurde die Kryptopyrrolurie in den 1960er-Jahren im Rahmen psychiatrischer Forschung in den USA – von Ärzten. Dennoch ist die medizinische Bedeutung bis heute umstritten. Während einige Quellen sie als „Pseudokrankheit“ abtun, sehen andere darin eine unterschätzte Stoffwechselstörung mit weitreichenden Folgen für die Betroffenen. Für mich persönlich ist diese Diskussion zweitrangig. Entscheidend ist, was die Praxis zeigt: Durch die gezielte Behandlung der Pyrrolurie haben wir als Familie Stabilität und Gesundheit zurückgewonnen. Und das ist für mich der beste Beweis.

Anmerkung:
Dieser Beitrag dient ausschließlich dazu, meine persönliche Geschichte zu teilen. Er stellt keine medizinische Empfehlung oder Aufforderung zur Einnahme von Präparaten dar. Wenn du den Verdacht hast, dass du oder dein Kind von Pyrrolurie betroffen sein könntet, wende dich bitte an deinen Arzt oder Apotheker, am besten mit Erfahrung im Bereich Pyrrolurie.

Alles Liebe
Tanja

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